Für das Fernsehen würde der Arbeitstitel dieser Geschichte vielleicht „Goodbye Paris – die Auswanderer“ lauten.

Mitte des 19. Jahrhunderts schrieb schrieb Amantine Aurore Lucile Dupin de Francueil, besser unter ihren Pseudonym George Sand bekannt, einen Klassiker der Reiseliteratur. Sie berichtet über ihren Winter 1838 auf Mallorca. Mit ihren beiden Kindern wollten sie dem Alltag in Paris und dem Aufsehen, welches ihre Liaison mit dem Musiker Frédéric Chopin erregt hatte, entfliehen und eine Zeit im Süden verbringen. Sie versprach sich Linderung für das Rheuma ihres 15 jährigen Sohnes Maurice.

Chopin, den sie aus Rücksicht auf seine Bekanntheit im Buch nur Der Patient oder Der Andere nannte, schloss sich der Reisegruppe an, da er im milden Klima  auf eine Besserung seiner Tuberkulose hoffte.

Mallorca war damals -heute kaum vorstellbar- touristisch noch nicht erschlossen. Wohnraum war durch die vor dem Bürgerkrieg geflüchteten Festlandsspanier knapp, Möbel gab es nur auf Bestellung mit entsprechender Wartezeit. Die erste Fährverbindung bestand noch nicht lange und in Palma gab es noch kein Hotel.

Die Bevölkerung war sehr gläubig, und so erntete die geschiedene, alleinerziehende Frau mit ihrem Geliebten allgemeines Misstrauen. Ablehnung schlug dem nicht verheirateten Paar offen entgegen. Sie fanden eine Unterkunft im Hinterland. Als der Regen lang und anhaltend einsetzte, drang Wasser durch die Türen in die Zimmer. Chopins Regentropfen- Prelude entstand übrigens auch auf Mallorca.

Chopins Tuberkulose verschlimmerte sich und der Vermieter setzte sie aus Angst vor Ansteckung vor die Tür.

Letzte Lösung war eine ehemalige Mönchszelle im Kloster zu Valdemossa. Nach der Säkularisierung und Vertreibung der Mönche standen diese leer und wurden an Privatleute vermietet. Valdemossa war damals verkehrstechnisch noch recht unzugänglich, ein weltfremdes Dorf im pittoresken Tramuntana-Gebirge.

Chopin hatte wohl auf eine Kirchenorgel gehofft, an der er arbeiten konnte, hatte aber nicht damit gerechnet, das die Ordensregel der Kartäuser  jede Art von Musikinstrumenten als eitlen Tand und Sinneskitzel untersagte.  So bestellte er sich ein Klavier aus Frankreich, aber die hohen Importzöllen der Mallorquiner überstiegen den Wert des Instruments beinahe. Die günstigste Lösung wäre wohl gewesen, das Klavier einfach im Meer zu versenken. Bei seiner Abreise sollte er auch Exportzoll bezahlen. So blieb das Klavier in Valdemossa und ist dort heute noch zu bestaunen.

Chopin soll laut Sand an Halluzinationen gelitten haben. Die von ihm bewohnte Mönchszelle beschrieb er als hohen Sarg, das Gewölbe verstaubt, die Fenster klein. Wenn Sand mit ihren Kindern abends um 10 Uhr vom Spazierengehen heim kam, soll er mit bleichem Gesicht, verstörten Augen und zu Berge stehenden Haaren noch am Klavier gesessen haben. Wenn er sie nach einiger Zeit erkannte, habe er gelacht und die gerade komponierten, wunderschönen Melodien vorgespielt. Überhaupt sei der in Gesellschaft so witzige und charmante Chopin im Familienkreis unerträglich gewesen. Valdemossa sei eine Folter für ihn und eine Qual für sie gewesen.

Trotzdem konnte sie sich an der Landschaft sehr erfreuen. Sand beschreibt die Natur mit intensiven, fast berauschenden Worten genauso, wie sie heute noch zu finden ist.

Ihre Schilderung über die garstige und nur auf eigenen (finanziellen) Vorteil bedachte, frömmelnde Inselbevölkerung, zu der sie keinen Zugang fand, entspricht hingegen so gar nicht mehr der heutigen mallorquinischen Gesellschaft. Im Frühjahr 1839 verließen Sand und Chopin die Insel mit einer der ersten Fähren nach den Unwettern.

Das Buch wird (nicht nur) in Valdemossa an jeder Ecke und in allen gängigen Sprachen zum Kauf angeboten. Die geschickte Vermarktung von Chopins kurzem Aufenthalt in Valdemossa zieht jährlich enorme Besucherströme an.

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