Titelfoto: Sascha Kreklau

Rock-Musical
Text von John Cameron Mitchell
Musik und Gesangstexte von Stephen Trask
Dauer: ca. 1h 35′ ohne Pause

In einer Inszenierung von Carsten Kirchmeier zeigte das Musiktheater im Revier mit Hedwig and the Angry Inch ein mehrfach ausgezeichnetes, US-amerikanisches Off-Broadway-Rock-Musical. 

Foto: Sascha Kreklau

Handlung: Die Rock-and-Roll-Drag-Queen Hedwig tingelt mit ihrer Band The Angry Inch und ihrem zweiten Ehemann Yitzhak.  Die „weltweit ignorierte Chanteuse“ wurde als Hansel auf der falschen Seite der Mauer in Ostberlin geboren. Aus Liebe zu dem US-amerikanischen GI Luther lässt er sich zu einer Geschlechtsumwandlung überreden. Die Operation misslingt, zurück bleibt ein „Angry Inch“ – zornige 2,54 cm, die ihn fortan zwischen den Geschlechtern schweben lassen. Gleichwohl folgt sie Sugar-Daddy Luther mit den Papieren ihrer Mutter Hedwig nach Amerika, wird aber einige Zweit später von ihm verlassen. Auf sich allein gestellt hält sie sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser. Als Babysitterin lernt sie den wesentlich jüngeren Tommy kennen, dem sie alles über das Musikbusiness beibringt. Tommy „Nosis“ verlässt sie jedoch ebenfalls und wird mit den von Hedwig geschriebenen Songs zum Star. Mal schrill, obszön, gemein und laut, mal leise und sehr verletzlich zelebriert Hedwig ihr zerrissenes Inneres, immer auf der Suche nach wahrer Identität, Anerkennung und der großen Liebe.


 

Meine Damen und Herren, ob’s euch passt, oder nicht: HEDWIG!

Alex Melcher stürmt mit blonder Langhaarperücke, Mini-Rock und Netzstrümpfen die Bühne und hat von der ersten Sekunde die volle Aufmerksamkeit des Publikums. Mit ihm und seiner starken Rockstimme steht eine ganz großartige, sehr facettenreiche Hedwig auf der Gelsenkirchener Bühne. Über zwei Stunden hält der Musical-Darsteller mit unglaublicher Energie eine kräftezehrende Dauerpräsenz durch. Dabei fordert diese Rolle stimmlich, körperlich und auch mental alles von ihm ab.
Nina Janke spielt ihre schwierige Rolle als gedemütigter, wütender, aber auch liebender Yitzhak sehr glaubwürdig. In ihren Gesangsparts  brilliert die Musical-Darstellerin mit wunderbarer Stimme.   

Foto: Sascha Kreklau

Die Band bietet mit den live-gespielten Rock- und Punksongs den perfekten Rahmen für die vielschichtige Handlung, schlagen aber auch ruhigere Töne bei den Balladen an.

Das eher funktionale Bühnenbild ist auf zwei Holzgerüste reduziert. Ein Fernseher auf der linken Bühnenseite wird von Yitzhak immer dann eingeschaltet, wenn er sich an Hedwig für ihre Demütigungen rächen will. Dort wird nämlich ein Live-Konzert von Superstar Tommy übertragen, in dem er Hedwigs Lieder singt. Zum Showdown reißt sich Hedwig Kleidung und Perücke vom Kopf und liegt, nur noch mit Unterhose bekleidet, gleichsam seelisch entblößt auf der Bühne.

FAZIT

Große Gefühle, starke Stimmen, tolle Musik und eine fantastische schauspielerische Leistung machen diese Inszenierung zu einem ganz besonderen Erlebnis! Bei den letzten Tönen hielt es das buntgemischte Publikum nicht mehr in ihren Sitzen und sie zeigten ihre Begeisterung mit langanhaltendem Applaus.

Foto: Sascha Kreklau

Besetzung:

Hedwig Alex Melcher

Yitzhak Nina Janke

 Band  „The Angry Inch:
Gitarre / Backvocals: Patrick Sühl /Arjuna de Souza
Piano / Keys: Johannes Still
Bass: Leon Dombrowski
Schlagzeug: Alex Bernath

 Leitung:

Inszenierung Carsten Kirchmeier
Bühne und Kostüm Jürgen Kirner
Licht Andreas Gutzme
Ton Fabian Halseband
Dramaturgie Anna-Maria Polke

 

Entstehung des Musicals:  Der amerikanische Autor, Regisseur und Schauspieler John Cameron Mitchell entwickelte Anfang der 90er zusammen mit Stephan Trask die Figur der Hedwig. Der Name ist in Anlehnung an das englische Wort für Perücke -wig- (wig head Perückenkopf) entstanden. Daraus entstand 1998 das erfolgreiche, Award ausgezeichnete Off-Broadway-Musical Hedwig and the Angry Inch, in dem er selbst die Hauptrolle spielte.  Drei Jahre später wurde eine Filmversion des Musicals gedreht, in der Mitchell ebenfalls die Titelrolle übernahm. In Deutschland wurde das Stück 1999 zum ersten Mal aufgeführt und wird seitdem immer mal wieder in verschiedenen Theatern aufgeführt.

Aktuell ist es z.B. im Rennaissance Theater in Berlin zu sehen.