Ich bin mit Jens Jerte vom Lost Place Erlebniscamp verabredet. An dem gut mit Zäunen, Bewegungsmeldern, Kameras, Personal und Hunden gesicherten Areal mitten im Wald halte ich an einem Tor und mache mich mit der dort installierten „Hupe“ bemerkbar.

Jens führt mich  über das Gelände der ehemaligen Lungenheilanstalt der Johanniter und informiert mich über die aus Sicherheitsgründen gesperrten Bereiche wie den Keller und den 3. Stock. Er erzählt auch einiges zur Geschichte des Hauses. Nach den obligatorischen Formalitäten darf ich alleine los und das Gebäude Raum für Raum entdecken.

Einiges ist noch vom Glanz der früheren Zeiten zu erkennen. Es ist der erste Lost Place, den ich mir ohne Besuchergruppe ansehen darf und das war schon etwas ganz besonderes!

Zur Geschichte des Objektes: In nur drei Jahren Bauzeit wurde das massive Gebäude auf dem Ochsenberg wegen der dort vorherrschenden guten klimatischen Verhältnisse eröffnet. Behandelt wurden dort zunächst nur Frauen.

1908 wurde Dr. Hans Pigger Chefarzt. Unter seiner Leitung  galten strenge Kur-Regeln, die aber zu guten Heilungserfolgen und damit stets hohen Belegungszahlen führten. Pigger modernisierte die technische Ausstattung und verfügte als einer der ersten über Röntgen- und Pneumothorax-Apparate. 1926 wurden moderne Operations- und Behandlungsräume angebaut. 1938 wurde noch einmal erweitert. Aus dem Sanatorium wurde ein Lungenkrankenhaus mit 180 Betten.

Mit nach Süden hin geöffneten Liegehallen, geräumigen und hellen Patientenzimmern, Wintergarten, Bibliothek, Aufenthalts- und Tagungsräumen unterhielt man einen hohen Standard.

Ab 1962 wurden wegen der stetig sinkenden Belegungszahlen auch männliche Patienten aufgenommen.

Die Heilstätte lag nur 500 Meter von der innerdeutschen Grenzen nach Hohegeiß in Niedersachsen. In diesem absoluten Sperrgebiet durften sich nur untadelig systemtreue DDR Bürger aufhalten. Vermutlich aus diesem Grund verfügte die Bezirksregierung Magdeburg die Schließung der medizinischen Anstalt zum 31.12.1967. Nach längerem Leerstand wurde 1968 ein Kur- und Erholungsheim für die NVA und Grenztruppen der DDR eingerichtet. Der Kirchenraum diente fortan als Kinosaal. Bekanntester und häufiger Kurgast der -im Volksmund so genannten- Faultierfarm war der Armeegeneral und Minister für nationale Verteidigung der DDR, Heinz Hoffmann. Zuerst kam er mit seiner Familie, später allein. In seinem Luxusdomizil mit eigener Küche und Bad mit  Glasfliesen, einer Erfindung der DDR, empfing er dem Hörensagen nach Damenbesuch.

Nach der Wende trat die Bundeswehr als Rechtsnachfolger automatisch in den Pachtvertrag der NVA ein. Allerdings hatte man keine Verwendung für das Objekt. 1992 wurde das Gelände an die Johanniter zurückübertragen. Leerstand, Witterung, Vandalismus und ein großer Brand 2007 hatten das Gebäude zusehends verfallen lassen. Die Kosten der Unterhaltung sowie die notwendige Modernisierung hätten die finanziellen Möglichkeiten des Ordens gesprengt. Ein Verkauf scheiterte  an dem geforderten Kaufpreis von drei Millionen D-Mark und so blieb das Objekt bis heute ungenutzt.

Die Heilstätte wurden auch schon vom Film entdeckt. Der Horrorfilm Ostzone spielt unverkennbar hier.

Aber auch die Macher der inzwischen zur Trilogie angewachsenen Filme Vergessen im Harz  drehten hier schon.

Im Ort Sorge filmte das ZDF die spannende Spielfilmdoku Tödliche Grenze.



Wenn Ihr auf den Geschmack gekommen seid, könnt Ihr auf der facebook-Seite des Lost Place Erlebniscamps einen Termin für die Besichtigung oder ein Fotoshooting (mit und ohne Model) vereinbaren.

Mir hat es ausgesprochen gut gefallen und die etwas weitere Anreise hat sich definitiv gelohnt.

 

Wer nun auch noch außergewöhnlich und recht preiswert übernachten möchte, der kann im Ferienheim Sorgenfrei in Sorge nachfragen. Das Hotel ist bewusst im DDR-Charme gehalten und das Betreiberehepaar Hans Dorrestijn und der ehemaligen Miss Unna -Nadine Cevik- könnte Fans von Frauentausch, DSDS, Supertalent und anderen TV-Formaten bekannt sein. Samstags wird (bei gutem Wetter) auch mal mit den Gästen gegrillt.

Kein Luxus, dafür lockere Atmosphäre und viel Spaß. Prädikat: ungewöhnlich!