Titellfoto Joern Hartmann Dominic Ernst

Emotional, berührend, mitreißend – eine aufregende Zeitreise ins Berlin der 50er Jahre!

Die Handlung: Ku’damm 56 ist die Musicaladaption der beliebten und erfolgreichen ZDF-Reihe. Ein Millionenpublikum erlebte in  heimischen Wohnzimmer die intensive Geschichte um die alleinerziehende, konservative  Tanzschulbesitzerin Caterina Schöllack und ihre drei Töchter. Caterina legt großen Wert auf Anstand und Sitte, lehnt Neuerungen kategorisch ab. Rock’n’Roll und Rumba sind ihr verhasst und einziges Ziel scheint zu sein, die Töchter gut zu verheiraten. 

Während Helga glücklich verliebt den aufstrebenden, künftigen Staatsanwalt Wolfgang von Boost heiratet, arbeitet Eva in einer Klinik und will den viel älteren Professor Dr. Fassbender ehelichen. Nur die schüchterne Monika schlägt völlig aus der Art, wird von der Hauswirtschaftsschule verwiesen, weil sie fast nackt im Regen tanzte und hat so gar kein Interesse daran, einen wohlhabenden Ehemann für sich zu begeistern. Vielmehr entdeckt ihre Liebe und Bestimmung zum Tanzen, lernt den jüdischen Musiker Freddy und Rock’n’Roll kennen. 

Monika wird Opfer einer Vergewaltigung, als sie dem betrunkenen Joachim Franck – Sohn eines reichen Waffenfabrikanten – auf Geheiß der Mutter nach einer Tanzschulfeier noch einen Kaffee kochen und sich fraulich zeigen soll. 

Helgas Ehemann bekennt sich zur Homosexualität. Die Ehe ist unglücklich, aber Helga wahrt aber den schönen Schein. Eva lernt Rudi Hauer, den Mann einer Patientin, kennen und lieben. Auch hier ist das Drama vorprogrammiert.

Caterinas Ehemann ist nicht aus dem Krieg zurückgekehrt und wurde für tot erklärt. Mit Tanzlehrer Assmann, der ihr die ehemals jüdische Tanzschule zugeschanzt hat, unterhält sie eine heimliche Affäre mit Folgen.  

Der Rest der vielschichtigen Geschichte rund um die Tanzschule Galant ist vermutlich bekannt. 

Das Theater: Das Musical wird im traditionsreichen Theater des Westens aufgeführt. Als eines der älteste Musical- und Theaterhäuser Berlins wurde es 2011 von der Stage Entertainment übernommen und umfassend renoviert. Es liegt verkehrsgünstig gelegen im Herzen Berlins und nur wenige Schritte vom Bahnhof Zoologischer Garten entfernt. 

Die repräsentative Außenfassade des wilhelminischen Prachtbaus sowie das detailreich gestaltete Foyer mit glitzernden Kronleuchtern lassen die Erwartungen an den Zuschauerraum und die Bühne schon vor der Vorstellung steigen. Und die Besucher werden nicht enttäuscht: Der Bühnenraum, in dem bis zu 1.500 Zuschauer in gemütlichen roten Samtsesseln Platz nehmen können, ist sehr edel und mondän. Die opulente Innenarchitektur allein macht einen Abend im Theater des Westens schon zu etwas ganz Besonderem. 

Die Bühne: Der Bühnenaufbau ist für Stage Verhältnisse fast schon funktional und verzichtet auf jeglichen Bombast. Die Wände sind grau und rissig, die großen Kronleuchter bringen etwas Vorkriegsglanz ins Bild. Eine absenkbare Glasdecke ist mehr als raffiniert und wird effektreich eingesetzt.

Die Mutter Brause Live-Band spielt zentral im hinteren Bereich der Bühne, der mit Wohn- und Schlafzimmer den Wohnbereich der Schöllack-Frauen representiert. Ein erhöhter, fahrbarer Umlauf sorgt für eine zweite Spielebene. 

Die Musik: Das Erfolgsduo Peter Plate und Ulf-Leo Sommer komponierte in enger Zusammenarbeit mit der Autorin Annette Hess den großartigen Soundtrack zum Musical. Schon mit dem Auftakt-Song  „Monika“ ist man mitten in der Geschichte. Emotionsgeladene Songs, Rock, Pop, Oper und Rumba – da ist für jeden ein Ohrwurm dabei.  Mit Berlin Berlin hat Plate eine Hauptstadt-Hymne geschrieben, die dieser bedeutenden und großartigen Metropole würdig ist.
„Liebes Universum“, „Mutter Brause“, „Berlin Berlin“ und „Früher“ hallen noch lange nach.

 

Der Cast: Der Fernsehmehrteiler war mit Sonja Gerhardt, Claudia Michelsen, Maria Ehrich, Emilia Schüle,  Eva Schölle, Sabin Tambrea, Heino Ferch, Uwe Ochsenknecht und Trystan Pütter u.v.a. hochkarätig und  besetzt. Sie gaben den Buchfiguren unverwechselbare Gesichter. Aus diesem Grund habe ich mich am Anfang mit der Musicalbesetzung etwas schwer getan, was sich aber schnell gab. Besonders begeistert hat mich der absolut starke Live-Gesang, der trotz der leidenschaftlichen, schnellen Performances und der schnellen Choreografien nichts an Qualität einbüßte.

https://www.stage-entertainment.de/musicals-shows/kudamm-56-berlin/besetzung

Das sichtlich begeisterte Publikum bedankte sich nach der Vorstellung am 15.03.22 mit Standing Ovations und langem Schlussapplaus und sang als Zugabe Peter Plates Hymne an Berlin Berlin noch einmal textsicher mit.

Fazit: Ein beeindruckendes Musical mit tollen Darstellern und mitreißender Musik, das man öfter schauen kann, ohne dass es an Intensität verliert.
Den kompakten Handlungsstrang des Fernseh-Mehrteilers auf 2 Stunden 40 Minuten (incl. Pause) zusammenzufassen, ist sportlich. Die ernsten, gesellschaftskritischen Themen wie Homosexualität, Vergewaltigung, Nazi-Vergangenheit, Depressionen werden aus meiner Sicht nicht dem unterhaltenden Charakter eines Musicals geopfert. Natürlich können all diese Probleme nur angerissen werden, bleiben aber erkennbar. Für den Besuch des Musicals ist es nicht erforderlich, die Fernsehfassung zu kennen –  aufgrund der Komplexität der Handlung und dem besseren Verständnis des temporeichen Handlungsstrangs wäre es aber durchaus förderlich.

 

 

Cast am 15. März 22, 19.30 Uhr

Monika – Sandra Leitner
Caterina – Katja Uhlig
Helga – Hannah Leser
Eva – Isabel Waltsgott
Freddy – Florian Heinke
Joachim – Davis Nádvornik
Wolfgang – Dennis Hupka
Otto Franck – Dominik Schulz
Fassbender – Holger Hauer
Assmann – Thorsten Tinney
Gerd Schöllack – Marco Billep
Rudi – Wolfgang Türks
Frau von Boost – Lisa-Marie Sumner
Mutter Brause-Sänger – Patrik Cieslik

In weiteren Rollen: Nele Neugebauer, Sophia Riedl, Shari Lynn Stewen, Alexander Wilbert

Dirigent – Damian Omansen
Mutter Brause Band: Yves Ardelt, Jotham Bleiberg, Julian Külpmann, Domnik Mostert, Sebastian Ulmer

Licht – Tim Deiling
Ton – Cedric Beatty
Buch –  Annette Hess
Musik – Peter Plate und Ulf Leo Sommer
Regie – Christoph Drewitz
Choreographie – Jonathan Huor