–Titelfoto: Pressefoto Städelmuseum–

Nachdem ich mich während meines Wochenendes in Frankfurt an dem sonnigen Samstag selbst fotografisch in der Stadt ausgetobt hatte, benötigte ich für den verregneten Sonntag eine alternative Indoor-Planung. 
 
Vom 30. Juni bis 24. Oktober wird in der Ausstellugshallle der graphischen Sammlung des Städelmuseums  Fotografie der 20er und 30er Jahre gezeigt. Das Museum, dass seinen Namen dem Bankier und Stiftungsgründer  [1815]  Johann Friedrich Städel verdankt, liegt auf der anderen Mainseite und ist z.B. über die Holbein Brücke nach einem kurzen Spaziergang bequem von der Innenstadt aus zu erreichen. 
 
Die Tickets sind im Vorverkauf erhältlich und so geht das Corona konforme “Check In” recht zügig. Die graphische Sammlung befindet sich links von der Kasse, aber mich zieht der Aufgang in den ersten Stock und damit zur Kunst der Moderne [1. OG] und den Alten Meistern [2.OG] wie magisch an.
 
Fotografie und Kunst liegen nicht soweit auseinander, wie man vielleicht denken könnte. Im Untergeschoss wird dieser Thematik ein eigener Bereich gewidmet der zeigt, wie fließend hier manchmal die Grenzen sind. 
Ich fotografiere gern Portrait und lasse mich tatsächlich von den Alten Meistern in Sachen Posing, Bildaufbau,  Requisiten und Spielen mit Licht und Schatten inspirieren. 
 
Auch die heute (zumindest bis zur Einführung der DSGVO) beliebte Streetfotografie blickt auf Wurzeln in der Malerei zurück. Ich bleibe längere Zeit fasziniert vor dem Gemälde Freistunde im Amsterdamer Waisenhaus von dem Berliner Künstler Max Liebermann stehen. Der Audioguide, der sich bequem über das hauseigene W-lan Netz auf das eigene Mobiltelefon laden lässt, verrät interessante Hintergrundinfos zum Bild. “Er (Anm.: Liebermann) skizzierte die dort lebenden Mädchen, beobachtete ihr Spiel und kaufte ein Anstaltskleid in den Stadtfarben Rot und Schwarz zur Erinnerung. Erst 1881, in seinem Münchner Atelier, malte er dieses großformatige Bild in warmem Frühlingsgrün und Backsteinrot. Während die Figuren im Vordergrund realistisch gezeigt sind, verschwimmen sie im Hintergrund mit de Licht und Schatteneffekten: ein erster Schritt aus dem Realismus in den Impressionismus.” (Quelle: Audioguide Städelmuseum)
In der Fotografie kennen wir dafür heute Begriffe wie “Bokeh” und harmonische Komplementärfarben oder Farblooks.
 
Die unterschiedlichen Ausstellungsräume bei den Alten Meistern sind in unterschiedlichen, sehr kräftigen Farben gehalten, die den Bereichen eine tolle Stimmung geben und die Gemälde sehr schön zur Geltung kommen lassen. Ruhebänke laden in den größeren Räumen zum Verweilen, Ausruhen und intensiveren Betrachtung der teils großformatigen Kunstwerke ein.
 
Gezeigt werden u.a. Werke Max Beckmann, Renoir, Chagall, Matisse, Picasso, Tischbein, Sandro Botticelli, Jan van Eyck, Dürer, Hollbein, Rembrandt, Vermeer und Tiepolo. 
 
 
 
 
Eine Sonderausstellung mit einem auffäligen, in gefälligem orange gehaltenem Entree widmet sich der Frankfurter Zeit von Max Beckmann. Sein Selbstbildnis mit Sektglas ist das zweite Bild, das mir nachhaltig in Erinnerung bleiben wird. In Frankfurt gewann Beckmann internationale Bedeutung. Auf täglichen Spaziergängen ließ er sich zu zahlreichen Stadtlandschaften inspirieren. “Ich werde wohl in Frankfurt wohnen bleiben. […] In Frankfurt ist alles so hübsch beeinander, der moderne Großstadtbetrieb und die altertümlichen Enge.” [Max Beckmann] [Quelle: Ausstellungsinformation]
Sehr gern ging er in das beste Hotel der Stadt, den Frankfurter Hof und trank Champagner. 
 
Max Beckmann, Selbstbildnis mit Sektglas, 1919
 
Ausgestellt sind neben seinem Selbstbildnis auch Werke wie “Die Synagoge in Frankfurt am Main“, “Eisgang“, “Doppelbildnis“, “Stillleben mit Saxophonen” und “Zirkuswagen“.
 
Das Untergeschoss im barrierefreien Museum widmet sich der Gegenwartskunst. Das Farbkonzept wechselt zu weiß und die Fläche ist heller beleuchtet. Imposant ist der mächtige Treppenbereich, der durch die helle, pudrige Farbgestaltung eigentümlich leicht und sehr edel wirkt. Als großer Fan von Treppenaufnahmen begeistert mich diese tolle Motiv natürlich.
 
Zurück im Eingangsbereich besuche ich zum Abschluss die noch bis 24. Oktober dauernde Ausstellung “Neu sehen” – Die Fotografien der 20er und 30er Jahre in der Ausstellugshallle der graphischen Sammlung und tauche in die faszinierende Welt der Fotografie in der Zwischenkriegszeit ein.
 
Ausstellungsansicht „Neu Sehen. Die Fotografie der 20er und 30er Jahre“
 
Besonders beeindruckt hat mich das Foto “Mussolini im Palazzo Venezia in Rom” von Felix H. Man aus dem Jahr 1931. Im imposanten Arbeitszimmer fotografierte Man den Diktator aus 25 Metern Entfernung und ließ ihn damit winzig wirken. Ein weiteres Treffen mit Man lehnte Mussolini 1933 übrigens ab…
 
Berührt hat mich das Schicksal der Fotografin Yva, der nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten aufgrund ihrer jüdischen Herkunft keine Aufnahme in die Reichspressekammer erteilt und die weitere Berufsausübung damit fast unmöglich gemacht wurde. 1936 musste sie die Atelier-Leitung an eine befreundete Kunsthistorikerin abgegeben, 1938 wurde ihr die Berufsausübung dann komplett untersagt. 1942 folgte ihre Verhaftung. Sie wurde ins Vernichtungslager Sobibor deportiert und ermordet.
Ausgestellt ist das Foto “Reise- und Segelanzug” von 1932 (ca.), das im Auftrag der Textil und Modeschule der Stadt Berlin entstand. Mit nur wenigen Requisiten erzeugte Yva im Studio eine sehr realistische Urlaubsatmosphäre. 
 
Yva, Reise- und Segelanzug, ca. 1932
 
Und damit endet mein anregender Besuch des Städelmuseums, der garantiert nicht mein letzter war! Alle Infos für Deinen eigenen Besuch findest Du unter www.staedelmuseum.de