Einer der vielen geheimen Orte in der DDR war das Gefängnis des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) in Berlin Hohenschönhausen. Im Stadtplan war es nicht zu finden und die einsitzenden Untersuchungshäftlinge wussten nicht, wo und in welcher Stadt sie festgehalten wurden. Heute befindet sich an dieser Stelle eine Gedenkstätte. Ehemalige politische Gefangene führen Besucher und Besucherinnen über das Gelände und berichten über das Erlebte in der Haftanstalt.
 
Die Geschichte dieses Ortes begann bereits 1945: Die sowjetische Geheimpolizei suchte ein Gebäude zur Einrichtung eines Speziallagers. Man wählte eine ehemalige Großküche aus den 30er Jahren, in der die Berliner Bevölkerung mit warmem Essen versorgt wurde. Das Gebäude war von den Bombardierungen des zweiten Weltkrieges verschont geblieben. 1,5 Jahre nutzten es die Sowjets und sperrten in dieser Zeit ca. 16.000 Menschen dort ein. Mindestens 886 davon starben wegen der unwürdigen Haftbedingungen. Einer der berühmtesten Häftlinge war der Schauspieler Heinrich George (Metropolis, Berlin Alexanderplatz), der Vater von Götz George. Er wurde von der sowjetischen Geheimpolizei 1945 verhaftet, da man ihn laut Anklage für einen der angesehensten faschistischen Künstler hielt. George kam im Juli 45 nach Hohenschönhausen und wurde ein Jahr später nach Sachsenhausen verlegt. Am 25.09.1946 starb er dort abgemagert und entkräftet an der Folgen einer Blinddarm-OP. Im Mai 1998 erklärte die russische Militärstaatsanwaltschaft seine Verhaftung für unrechtmäßig.
 
1951 übernahm das ein Jahr zuvor gegründete Ministerium für Staatssicherheit (MfS) die Gebäude und nutzte es bis 1989 als zentrale Untersuchungshaftanstalt.  Im Dezember 1989 kamen alle politischen Häftlinge frei. Stattdessen wurden ehemalige Spitzenfunktionäre, unter anderem Erich Mielke dort in Haft genommen. Der Vorwurf: Korruption und Amtsmissbrauch.

Seit dem 03.10.1990 sind in Hohenschönhausen keine Häftlinge mehr untergebracht.
 
 
 
Das Haftkrankenhaus
1959 wurde ein ehemaliges Verwaltungsgebäude zum Haftkrankenhaus umgebaut.
Behandelt wurden dort angeschossene Flüchtlinge, Hungerstreikende, schwer und psychisch kranke Gefangene.
Viele der Krankheiten waren Folge der Haftbedingungen (z.B. Haftkoller und Nervenzusammenbrüche). Die Patienten sollten nicht zwangsläufig gehheilt werden. Vielmehr sollte die Haftfähigkeit erhalten werden.
Verhöre wurden auch am Krankenbett fortgeführt, eine ärztliche Schweigepflicht gab es nicht. Das medizinische Personal bestand ausschließlich aus Stasi-Mitarbeitern. Zwischen dem 21.05.1959 und dem 07.12.1989 wurden insgesamt 2.694 Häftlinge im Haftkrankenhaus eingeliefert, 377 davon mehrfach. 
Heute noch zu sehen sind die Röntgenstation, die Kühlkammer, Behandlungs-, OP- und Laborräume.
 
 
Die Zellen
 
In den neueren Gefängniszellen gab es zwar wassergespülte Toiletten, allerdings waren diese vom Türspion einsehbar. Glasbausteine verhinderten die Sicht nach Draußen. Manche Häftlinge fühlten sich wie lebendig begraben und das Einzige, was sie hörten waren die Schritte von den Wärtern, klirrende Schlüssel und das Geräusch des sich öffnenden Türspions. Den Uniformierten war es untersagt, mit den Häftlingen reden. Sie wurden nicht mit ihrem Namen, sondern mit ihrer Häftlingsnummer angesprochen und bekamen nur kurze Anweisungen wie „Kommse – Gehnse“. Zur Untätigkeit gezwungen verloren die Insassen schnell jegliches Gefühl für Zeit. Das Verhör war nicht nur eine Abwechslung im tristen Häftlingsalltag. Vielmehr schöpften die Inhaftierten Hoffnung, dass sich nun alles zum Besseren wendet.
 
 
Haftbedingungen:
I.d.R. kamen Menschen zur Klärung eines Sachverhaltes in die Zentrale Untersuchungshaftanstalt. Sie wurden keinem Untersuchungsrichter vorgeführt, wussten nicht, wo sie waren, für wie lange sie dort bleiben mussten und hatten in Einzelhaft keinerlei Kontaktmöglichkeiten. Dies diente der Zermürbung. Die Häftlinge wurden gezielt an den Rand der psychischen Belastbarkeit gebracht, um Geständnisse zu erpressen.

Die Häftlinge bekamen einheitliche Haftkleidung. Der Alltag bestand aus schlafen, wecken, essen, schlafen. Tagsüber durften sich die Häftlinge nicht hinlegen und nicht schlafen. Das Essen wurde in Näpfen durch die „Fressluke“ geschoben. Um Suizidversuche zu unterbinden gab es nur Löffel – und somit natürlich auch nur Essen, das gelöffelt werden konnte. In der Nacht wurde mehrfach in der Stunde das Licht in den Zelle eingeschaltet. Durch den Türspion wurde die korrekte Schlafposition des Häftlings überprüft (auf dem Rücken, Hände über der Decke, Gesicht zur Wand). Die Inhaftierten litten unter Schlafentzug,  Einsamkeit, Beschäftigungslosigkeit und Reizentzug. Sie durften keine Bücher, Stifte, Papier oder persönliche Gegenstände bei sich haben. Fernsehen und Radio gab es natürlich auch nicht.

Die Kontaktaufnahme durch Klopfen oder Rufen zu Häftlingen in Nachbarzellen war streng verboten. Wände und Möbel durften nicht bemalt, beschriftet oder mit eingekratzten Botschaften verunstaltet werden. Für Häftlinge, die die Beherrschung verloren, gab es Gummizellen und Zwangsjacken.

In Mehrpersonen-Zellen wurden Spitzel eingeschleust, um die Häftlinge auszuhorchen. Zu diesen Spitzeldiensten wurden sie entweder gezwungen, oder mit Vergünstigungen geködert. Verstöße gegen die Haftordnung wurde mit Matratzenentzug oder Halbierung der Brotration bestraft.

Spätfolgen der Haftzeit waren (und sind) Angst vor geschlossenen Räumen und Menschenansammlungen. Viele Untersuchungshäftlinge waren und sind traumatisiert, leiden unter Alpträumen und Depressionen. Die Häftlinge mussten sich verpflichteten, über die Hafterlebnisse zu schweigen. Die Stasi drohte Ihnen, man würde sie finden – und Unfälle passierten ja immer wieder. 
Bei den Inhaftierten entwickelten sich schnell große Verzweiflung und der Sehnsucht nach normalem Leben. 
 
Tigerkäfige
Hofgang gab es 5 mal die Woche für 15 Minuten. In den 1972 fertiggestellten „Tigerkäfigen“ galt ebenfalls das Sprech- und Singverbot. Sport durfte nicht betrieben werden. Die Häftlinge freuten sich auf den Freigang: einmal am Tag etwas anderes sehen, in den Himmel schauen und frische Luft atmen können. Eine in der Zelle wachsende Pusteblume konnte da schon zu Tränen rühren. Ein Häftling berichtete, er habe im Tigerkäfig eine Spinne gefangen und sie zum Spielen mit in die Zelle genommen – als Haustier quasi. 
 
 
 
U-Boot
Im damaligen Kartoffelkeller der Großküche bauten Häftlinge des sowjetischen Gefängnisses 68 verliesähnliche Zellen,  weitestgehend ohne Tageslicht ein, daher auch „U-Boot“ genannt.  Die Zellen waren mit eingemauerten Holzpritschen und einem Kübel für die Notdurft ausgestattet. Die Toiletteneimer hatten keine Brille oder Sitzmöglichkeit, Toilettenpapier war Mangelware.  In den Zellen roch es streng nach Kot und Urin. Es gab Einrichtungen wie Steh-, Warm-, Kalt-  und Nasszellen, die von den Sowjets zu Folterzwecken genutzt werden. Im Stockwerk darüber befanden sich die Verhörräume. Nach der Fertigstellung des Gefängnisneubaus wurde das Kellergefängnis als Materiallager genutzt. 
 
 
Die Gänge
Vorführoffiziere, die den Häftling zum Vernehmerzimmer brachten, nannte man „Läufer“. Das Wegesystem war so angelegt, dass Mithäftlinge sich nicht begegnen konnten. Der Läufer schaltete das Stopplicht ein, an unübersichtlichen Stellen oder Wegkreuzungen musste der Häftling sich mit dem Gesicht zur Wand aufstellen, Hände auf den Rücken. An den Wänden waren Alarm-Leinen angebracht. Riss der Aufseher daran, wurde ein Stromkreis unterbrochen und Alarm im Kontrollraum ausgelöst.
 
 
Vernehmerzimmer
Gepolsterte Doppeltüren ließen keinen Laut nach Außen dringen. Auf dem Schreibtisch war ein Bediengerät mit einem Hilfeknopf, mit dem die Wache alarmiert werden konnte. Die Vernehmer waren grundsätzlich unbewaffnet, damit der Häftling diese nicht an sich bringen konnte. Der Häftling musste auf einem Verhörhocker sitzen, die Hände unter den Oberschenkeln.  
Der Vernehmer blieb lange Zeit der einzige Ansprechpartner und wurde nicht selten nach der Phase der Strenge als Vertrauensperson empfunden. Die Vernehmer wurden speziell an der Hochschule der MfS für ihre Aufgabe ausgebildet. 
 

Gefangenentransport
Die Häftlings-Transporte erfolgten unter größter Geheimhaltung. Zunächst wurden dafür PKWs genutzt. Dem Verhafteten wurde eine Decke über den Kopf gezogen. Später setzte man fensterlose Gefangenentransporter (Barkas 1000) ein, die wie harmlose Lieferwagen aussahen und über eine 0,5 m² Zelle verfügten. Der Transporter fuhr in eine Garage, damit die Häftlinge das Gefängnis nicht von Außen sehen konnten. Zusätzlich ließ man den Inhaftierten in grelles Licht blinzeln. Von hier aus wurde er zur Aufnahme gebracht, musste sich komplett entkleiden und wurde durchsucht. Nach dem Duschen bekam er seine Haftkleidung und wurde in die Zelle gebracht.
 
Das zweite Foto gewährt einen Blick in den Grotewohl Express, einen Gefangenentransportzug mit engen Zellen, die keinen Blick nach Außen zuließen. Teilweise wurden die Häftlinge in Handschellen tagelang hin- und hergefahren. 
 
 
 

Aus dem Untersuchungshaftgefängnis in Hohenschönhausen ist übrigens keine einzige Flucht gelungen.
 
Fotos und Texte können immer nur einen ersten Eindruck vermitteln, spiegeln aber nicht die Emotionen und persönlichen Erlebnisse der Menschen wieder, die dort -teilweise aus nichtigen Gründen wie zum Beispiel dem Zerreissen eines SED-Plakates oder versuchter Republikflucht- einsitzen musten. Zum Glück gibt es noch Zeitzeugen, die davon erzählen können! 
 
Die Gedenkstätte kann im Rahmen von Führungen besichtigt werden. Zudem gibt es sehr interessante Dauer-, Wander- und Wechselausstellungen.
 
Fotofreunde haben zudem die Möglichkeit, über Go2Know eine spannende Fototour im Bereich des Haftkrankenhauses zu buchen.
 

Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen
Genslerstraße 66
D-13055 Berlin

Tel.: 030 / 986082-30