Die bis zum 28.08.22 andauernden 71. Bad Hersfelder Festspiele wurden am 01. Juli 2022 mit einem feierlichen Festakt eröffnet. Die zahlreich erschienene Prominenz zeigte sich gut gelaunt auf dem roten Teppich und ließ sich die Uraufführung der Bühnenfassung des Victor Hugo Klassikers Notre Dame nicht entgehen.

 

 

Intendant Joern Hinkel interessierte sich schon lange für diesen Stoff, der so eng mit der berühmten Kathedrale in Paris verbunden ist. Um die Handlung in die Stiftsruine nach Bad Hersfeld zu bringen, bedient er sich der ganz modernen Technik des „Mappings“. Dabei werden Bilder auf die Ruinenmauern projiziert, die die Fassade und den Innenraum von Notre Dame lebendig werden lassen. Das Ergebnis ist äußerst beeindruckend! Zusammen mit einem ausgeklügelten Lichtkonzept und den verschiedenen, sehr wirkungsvollen, teilweise mehrstöckigen und fahrbaren Bühnenaufbauten im Industrial Style ist ein bombastisches Bühnenbild entstanden. 

In der von Joern Hinkel und Dramaturg Tilman Raabke geschriebenen Theaterfassung gibt es gleich mehrere Hauptpersonen. Neben Quasimodo, der bravourös von Robert Nikisch verkörpert wird, überzeugt Richy Müller in der Rolle des düsteren, dämonischen Claude Frollo. In diesem vielschichtig angelegten Charakter offenbart er sehr glaubhaft die innere Zerrissenheit des Domprobstes und sorgt für wahre Gänsehautmomente bei seinen Liebesgeständnissen an Esmeralda. Die bezaubernde  Tänzerin wird mit viel Energie und Charme von Cathrine Sophie Dumont dargestellt, die sich in ihrer Rolle in Hauptmann Phoebus verliebt. Oliver Urbansky lässt dabei mit seinem kraftvollen, genialen Spiel vielleicht nicht nur auf der Bühne Herzen dahin schmelzen. 

 

Mathias Schlung begeisterte das Bad Hersfelder Publikum schon in mehreren Aufführungen. In diesem Jahr überzeugt er als Dichter Gringoire.

Gleich zwei Rollen übernimmt die fabelhafte Anouschka Renzi. Puffmutter Madame Falouradel und die Adelsdame Aloise de Gondelaurier – die vielseitige Vollblut-Schauspielerin schafft den Spagat und sorgt für Glamour auf der Bühne.

Thorsten Nindel ist König Ludwig XI. Kurzfristig eingesprungen drückt der enorm wandlungsfähige Schauspieler der Rolle des royalen Oberhaupts seinen ganz eigenen Stempel auf.

 

Djali spielt Karla Sengteller. Die erfahrene Schauspielerin versteht es, die schwierige Konstellation ihrer Rolle als Ziege zu „überspielen“ und Victor Hugos -aus heutiger Sicht- etwas verstörende Idee glänzend umzusetzen.

Auch absolut großartig: Bettina Hauenschild (Paquette-la-Chantefleurie/Guillaume Rousseau), Jürgen Hartmann (Bettlerkönig Mathias Spicali/Ankläger Charmolue u.a.), Günter Alt (Richter Florian Bardedienne/Bettlerkönig Chopin Trouillefou u.a.), Peter Englert (Johann Frollo), Lara Aylin Winkler (Fleur-de-Lys), Kristina Kufner (Mahiette/Diane de Christeuil u.a.), Luca Lehnert (Amelotte de Montmichel/Robin Poussepain u.a.);

Fazit: Eine meisterhaft umgesetzte Theaterfassung des – mit seinen vielen, ineinander fließenden  Handlungssträngen und Zeitsprüngen- anspruchsvollen Originals aus dem Jahr 1831. Neben dem ausgezeichneten Cast ist das Zusammenspiel aus Mapping, Bühnenbild, Kostümen, ausgezeichnetem Licht und fantastischem Ton zu nennen. Ein Gesamtkunstwerk, das nicht nur einen außergewöhnlichen Theaterabend verspricht, sondern gleichzeitig -behutsam aber deutlich- den Finger auf die vielen, immer noch offenen Wunden der Gesellschaft legt. Ein historisches Stück – aktueller denn je! Das Premierenpublikum honorierte die Leistung mit langem Schlussapplaus.

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Chimærium – eine lebende Installation“ im Stiftspark

Die Besucher von „Notre Damekönnen bereits vor den Vorstellungen in der Stiftsruine in die Atmosphäre der Welt von Quasimodo, Esmeralda und allen anderen eintauchen und sich inspirieren lassen.

Im Park an der Stiftsruine ist das „Chimærium – eine lebende Installation mit phantastischen Wesen entstanden, sogenannten Chimären. Der Stiftspark wird zu einer Art Jahrmarkt, der 90 Minuten vor den jeweiligen Vorstellungen (Uraufführung am 1. Juli) zum Leben erwacht.

Das Theater ANU, das die Besucher der Festspiele und der Stadt Bad Hersfeld mehrfach mit phantasievollen und aufregenden Installationen und Inszenierungen begeistert hat, schafft diese neue Welt im Stiftspark passend zu „Notre Dame„.  

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Zum Inhalt: Paris am 06.Januar 1482: Dichter Pierre Gringoire will anlässlich des traditionellen Narrenfestes ein Theaterstück aufführen, aber das Publikum möchte lieber die Wahl des Narrenpapstes vollziehen.  Das Volk wählt den grausam entstellten, fast tauben Quasimodo, der einst als Findelkind von Erzdechant Claude Frollo aufgenommen und in den Mauern von Notre Dame zum Glöckner ausbildet wurde. 

Die Tänzerin Esmeralda begeistert nicht nur das versammelte Volk, auch der düstere und strenge  Claude Frollo ist ihr sofort verfallen. Quasimodo soll Esmeralda entführen, aber der stattliche Hauptmann Phöbus von Châteaupers kann sie retten. Gringoire gerät auf der Suche nach einer Bleibe in die „Stadt“ der Bettler und Diebe.

 

Esmeralda heiratet den Dichter zum Schein, um ihn vor dem Galgen zu retten. Frollo erfährt von der Ehe und der Bewunderung  Esmeraldas zu Hauptmann Phöbus. Wie besessen und rasend vor  Eifersucht spinnt er einen mörderischen Plan. Als Phöbus und Esmeralda sich heimlich treffen, sticht er den Hauptmann  rücklings nieder und verschwindet unerkannt in der Dunkelheit. Esmeralda wird festgenommen und gesteht unter Folter den Mord und Hexerei. Sie wird zum Tod am Galgen verurteilt. Frollo gesteht Esmeralda im Kerker seine Liebe und will sie zur Flucht mit ihm überreden. Esmeralda erkennt in ihm den Mörder ihres geliebten Hauptmannes und weist Frollo zurück.  Quasimodo rettet die Tänzerin vor dem Galgen und flieht mit ihr in den Schutz des Kirchenasyls. 

Frollo stachelt Gringoire an, Esmeralda mit allen Bettlern und Gaunern zu befreien. Quasimodo  glaubt an einen Überfall und verteidigt die Kathedrale mit flüssigem Blei, das er auf die Angreifer regnen lässt.

Mit Hilfe des verkleideten Frollos kann Gringoire  Esmeralda und ihre Ziege befreien, aber er kann nur eine retten – und entscheidet sich für die Ziege.

 

Frollo wirbt noch einmal um Esmeralda. Als sie ihn erneut zurückweist, lässt er sie bei der Einsiedlerin zurück, um die Wachen zu holen. Diese findet in der Tänzerin ihre -vor langer Zeit verlorene- Tochter wieder und will sie vor den Wachen verstecken.

In der Zwischenzeit erfährt der König von der Belagerung Notre Dames und befiehlt, Esmeralda zu hängen und die Aufständischen zu töten.

Quasimodo muss Esmeraldas Tod mit ansehen und erkennt die Schuld seines geliebten Ziehvaters Frollo.  Er tötet ihn und verschwindet. Jahre später werden zwei eng umschlungene Skelette in der Gruft gefunden. Beim Versuch, die beiden voneinander zu lösen, zerfallen sie zu Staub. Und auch Phöbus endet tragisch: Er heiratet.

 

Die Rollen in der Übersicht:
les misérables:
Quasimodo Robert Nickisch
Claude Frollo Richy Müller
Esmeralda Cathrine Sophie Dumont

les heureux:
Djali, die Ziege Karla Sengteller
Pierre Gringoire Mathias Schlung

Die Balkongesellschaft:
Phöbus de Châteaupers Oliver Urbanski
Fleur-de-Lys de Gondelaurier Lara Aylin Winkler
Aloïse de Gondelaurier Anouschka Renzi
Diane de Christeuil Kristina Kufner
Amelotte de Montmichelle Luca Lehnert

Die Studenten:
Jean Frollo Peter Englert
Robin Poussepain Luca Lehnert

Das Gesetz:
Ludwig XI. Thorsten Nindel
Florian Barbedienne Günter Alt
Jacques Charmolue Jürgen Hartmann

Die Gesetzlosen:
Madame Falourdel Anouschka Renzi
Clopin Trouillefou Günter Alt
Matthias Hunyadi Spicali Jürgen Hartmann
Guillaume Rousseau Bettina Hauenschild

Bürgerinnen bei Paquette:
Paquette la Chantefleurie Bettina Hauenschild
Oudarde Musnier Lara Aylin Winkler
Gervaise Luca Lehnert
Mahiette Kristina Kufner
Eustache, ihr Sohn Jonas Bauer / Suad Etishovski / Jan Pfeiffer

u.v.a.

Mapping: Frischvergiftung

Notre Dame
Theaterfassung von Tilman Raabke und Joern Hinkel
nach dem Roman von Victor Hugo
Regie Joern Hinkel
Uraufführung 1. Juli 2022/ 21:00 Uhr
Stiftsruine Bad Hersfeld

Tickets und Informationen: 
Telefon +49 6621 640200 
ticket-service@bad-hersfelder-festspiele.de 

www.bad-hersfelder-festspiele.de