Napola Ballenstedt

Eine Schule – zwei Geschichten

Kaderschmiede zweier politischer Systeme

Update 2024: Die Napola ist aktuell nicht legal zu besuchen.

Wigald Boning war als Geschichtsjäger schon da,  Enno Seifried mit seiner Dokumentarfilmreihe „Vergessen im Harz“ auch. Die Napola, also die Nationalpolitische Lehranstalt auf dem Großen Ziegenberg in Ballenstedt zählt wohl  zu den bekanntesten Lost Places in Deutschland. Grund genug, mir dieses monumentale Gemäuer auch näher anzusehen. Lange habe ich darauf gewartet und oftmals vergeblich versucht, die Genehmigung für die Besichtigung zu erhalten. Wenige Tage vor dem Tag der Deutschen Einheit war es dann soweit. Mit Go2know öffnete sich der Schlagbaum und der Zutritt zu diesem gut geschützten und bewachten Gelände war für mich frei.

Dieses Eliteinternat der Nationalsozialisten wurden 1936 als Prototyp erbaut. Bis zum Kriegsende gab es insgesamt 43 solcher Anstalten, drei davon nur für Mädchen. Die Aufnahme in diese Ausleseschulen erfolgte nur nach Empfehlung. Grundvoraussetzung war arische Abstammung, einwandfreie Charaktereigenschaften, Erbgesundheit, volle körperliche Leistungsfähigkeit und überdurchschnittliche geistige Begabung. In dieser Internatsoberschule wurden bis 1945 über 350 Schüler zu linientreuen Nationalsozialisten erzogen. 

Der Grundriss der Gebäude war vielleicht nur „ganz zufällig“  dem Reichsadler und gespiegelten Siegrunen nachempfunden. Hier eine Luftbildaufnahme aus Wikipedia mit freundlicher Genehmigung von „Wolkenkratzer“.

https://de.wikipedia.org/wiki/Schulungszentrum_Gro%C3%9Fer_Ziegenberg#/media/File:Ballenstedt_Grosser_Ziegenberg_002-.jpg

Ein zentraler „Portikus“  (Säulenhalle als Vorbau an der Haupteingangsseite eines Gebäudes) dient als repräsentativer monumentaler Zugang. Ein  Vestibül  (Vorhalle, Eingangshalle z.B. in einem Theater oder Hotel) führt über 14 Stufen ins erste Obergeschoss. Als gestalterisches Element ist an mehreren Stellen die Dreiteilung des Weges zu erkennen:

Nach Kriegsende brachte die US-Armee dort zuerst ehemalige Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter unter, bis die Rote Armee den wuchtigen Gebäudekomplex übernahm, plünderte und bis 1946 als Kaserne nutzte.  1949 richtete die SED die Bezirksparteischule Wilhelm Liebknecht dort ein.  Eine Buchhandlung, ein Cafe, ein Klubhaus, ein Frisör, eine Sauna und ein Konsum  versorgten die Schüler direkt vor Ort auf dem eingezäunten und abgeschirmten Gelände.  In zehnmonatigen Lehrgängen ließen sich hier potentielle Führungskräfte für den DDR-Staats- und Parteiapparat ausbilden.

Im großen Hörsaal wurden Kongresse, Musik- und Kulturveranstaltungen und Kinoabende und  Jugendweihen abgehalten.

Auf dem Dach des 36 m hohen Glockenturms war eine Funkanlage installiert, die auch von der Staatssicherheit genutzt wurde. Der ansonsten weitestgehend funktionslose Turm ist sogar höher als das Ballenstedter Schloss und stellt eine weithin sichtbare Landmarke dar. Nach dem Mauerfall waren alle Hinweise, was auf dem Großen Ziegenberg hinter verschlossenen Türen tatsächlich gemacht wurde, verschwunden.

Bis 1995 nutzte die Fachhochschule für öffentliche Verwaltung des Landes Sachsen-Anhalt den seit 1990 unter Denkmalschutz stehenden Gebäudekomplex. Der ehemalige Speisesaal wurde in eine moderne Sporthalle umgewandelt.

Von den Gebäuden umschlossen liegt ein 140 m langer und 90 m breiter Appellplatz.  Ein Ring aus Wandelgängen verbindet alle Gebäude miteinander. Die Unterrichtsräume liegen alle Richtung Appellplatz.

Das Herrenhaus Villa Koch wurde ab April 1943 von 80 Jungmannen als Unterkunft „Heim III“ genutzt. Die SED baute es 1970 zum Klubhaus um. Die beiden benachbarten Plattenbauten aus dem Jahr 1970 waren Internatsgebäude. 

Im Anschluss an die Tour in der Napola durften wir einen zweiten Lost Place besuchen. Es handelte sich um eine alte Fahrschule, in der auch Theater gespielt, Miss-Wahlen abgehalten und Dreharbeiten stattgefunden haben. Dem Filmteam ging wohl das Geld aus. Wohl aus diesem Grund sind reichlich Requisiten zurückgeblieben. Zwischendurch war dort auch eine Pension und Flüchtlingsunterkunft eingerichtet.

Alles in allem habe ich die Napola als sehr  „sterilen“ Lost Place empfunden. Von der vielfältigen Nutzung ist nicht mehr viel zu erahnen. Der Bau an sich ist allerdings beeindruckend. Fazit: Ein langersehnter Lost Place ist abgearbeitet. Es war eine tolle Tour, aber nicht das spannendste Objekt in meiner „Sammlung“. Alle Fotos könnt ihr in diesem Video sehen:

Wart Ihr auch schon in der Napola? Wie habt ihr es empfunden? Kennt Ihr weitere Lost Places (außer die von Go2know – die habe ich fast alle besucht), die man legal betreten kann? Schreibt mir! Ich freu mich auf eure Nachrichten. 

3 Gedanken zu „Die Napola in Ballenstedt – Ein faszinierender Lost Place voller Geschichte“
  1. Derzeit kann man die Gebäude allein schon wegen Corona wahrscheinlich nicht besichtigen. Da ich auch nochmal hin möchte, werde ich weiter recherchieren, an wen man sich vielleicht wenden kann und dann hier darüber berichten. Wer Kontaktinfos hat – bitte bei mir melden!!

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