Fränkisches Wunderland – ein Lost Place?
In den sanften Hügeln Frankens, unweit des malerischen Ortes Plech, liegt ein Ort, der einst Kinderherzen höherschlagen ließ: Das Fränkische Wunderland. Heute sind die einst fröhlichen Stimmen verstummt, die Fahrgeschäfte stillgelegt und die Attraktionen verfallen.
Ich steige aus dem Auto. Sofort legt sich die drückende Hitze dieses Tages wie ein Bleimantel auf mich. Ich gehe den Weg hinauf zur Westernstadt. Meine Schritte knirschen im Staub und in meinem Kopf beginnt das Intro zu „Spiel mir das Lied vom Tod„.
Der heiße Wind bläst durch die menschenleeren Straßen von Kansas City. Die Zellen im Haus des Sheriffs sind leer, obwohl es im Saloon aussieht, als hätte eben die wildeste Kneipenrauferei, die Kansas City je gesehen hat, ein jähes Ende gefunden. Leere Whiskyflaschen, umgeworfene Stühle und der Schemel am Klavier ist noch warm…
Im Indianerareal fanden rituelle Tänze der echt echten Azteken im Mandan Erdhaus statt. Viele Besucher kamen damals extra wegen ihnen und wenn sie als Erwachsene heute davon erzählen, leuchten ihre Augen. Das rhythmische Wummern ihrer Trommeln und das Tuten der großen Muscheln hängt noch in der Luft, aber auch ihre Zelte sind jetzt leer und die Natur erobert sich das Lager zurück.
Da – etwas verborgen unter den Pflanzen – die Schienen einer Sommerrodelbahn… Eine wilde Fahrt damals:
(Video von 2013 credits pampie111)
Der Weg durch den Märchenwald ist noch gut erkennbar. An mancher Station halte ich inne und lasse mir eine Geschichte erzählen.
Die Kamera habe ich dabei immer griffbereit, an jeder Ecke lauern neue Motive. Stunde um Stunde durchstreife ich das 100.000 m² große Gelände und vergesse die Zeit.
Und mit den Bildern, die heute vor mir liegen, schleicht sich der Zauber dieses Ortes wieder in meine Erinnerung. Ein Wunderland – immer noch!
Die Band Fiddler’s Green drehten hier 2013 das Video zu The More the Merrier.
Und das wurde daraus:
Ein Blick in die Vergangenheit
Der Spatenstich zu diesem Freizeitpark erfolgte 1973. Pfingsten 1976 konnte der Märchenwald eröffnet werden. Später folgte die Westernstadt Kansas City. 1992 kam der wohl berühmteste Gast ins Wunderland: King of POP Michael Jackson nutzte den Aufenthalt in Pegnitz während seiner Dangerous Tour zu einem Abstecher nach Plech. Für eine Kutschfahrt musste er sich tatsächlich ordentlich in die Reihe stellen und warten, bis er dran war.
Das Fränkische Wunderland wurde schnell zu einem beliebten Ausflugsziel für Familien in der Region. Mit Themenwelten wie dem Wilden Westen, Piratenabenteuern und Märchenfiguren bot der Park eine bunte Mischung aus Unterhaltung, die Kinder und Erwachsene gleichermaßen begeisterte. Ein Highlight war zweifelsohne der Nachbau einer Westernstadt, komplett mit Saloon, Sheriffbüro und Postkutsche. Hier konnten sich kleine Cowboys und Cowgirls in eine längst vergangene Zeit versetzen.
Über die Jahre hinweg erweiterte der Park seine Attraktionen, doch die Konkurrenz durch größere Freizeitparks und veränderte Freizeitgewohnheiten setzten dem Wunderland zu. In den frühen 2000er Jahren begann der Abstieg, und 2008 wurden die Tore des Parks endgültig geschlossen. Was bleibt, ist eine melancholische Erinnerung an vergangene Zeiten.
Die erste Achterbahn kam 1993 (Kansas City Express). In den Jahren 96/97 konnte der Betreiber mit dem Kletterberg Himalaya, dem Kettenkarussell, einem Drachenturm mit Rutschen und der elektrischen Schießhalle Golden Colts Saloon weitere Publikumsmagneten einweihen. Zum 25 jährigen Jubiläum 2001 baute er das Riesenrad mit Westerngondeln. Jedes Jahr kamen neue Attraktionen hinzu, aber die Besucherzahlen waren rückläufig und der Park schloss für die Saison 2014, um notwendige, umfangreiche Renovierungsarbeiten durchzuführen. Die Neueröffnung war für 2015 geplant, aber hierzu kam es nicht mehr.
Ein Ort der Erinnerungen
Für diejenigen, die das Fränkische Wunderland in seiner Blütezeit erlebt haben, bleibt es ein Ort voller schöner Erinnerungen. Für die Jüngeren, die den Park nur aus Erzählungen kennen, ist es ein faszinierendes Relikt aus einer anderen Zeit. Der verlassene Freizeitpark ist ein Mahnmal dafür, wie schnell sich die Welt verändern kann – und wie wichtig es ist, die Vergangenheit zu bewahren, sei es in Form von Erinnerungen, Fotos oder Geschichten.
Das komplett eingezäunte Gelände steht im Privatbesitz und wird gut bewacht. Das Betreten ist meines Wissens derzeit nicht erlaubt und möglich.
Die Fotos entstanden mit Erlaubnis der damaligen Pächterin im Juli 2020.